Dienstag, 18. August 2009

Das Kunstprojekt

Vorhin war ich noch einmal am Trafalgar-Square, um mir dieses interessante Kunstprojekt anzuschauen, welches ich die Tage per Zufall bei einem Stadtbummel entdeckt habe.

In diesem Sommer hat ein Künstler ein „Projekt“ initiert, das auf der leer stehenden Säule des Trafalgar-Square in Szene gesetzt wird.
Gemeine Londoner Bürger konnten sich dafür bewerben, sich einmal für 60 Minuten auf der vierten leer stehenden Säule des Trafalgar-Square, zu präsentieren bzw. sich im Rahmen des Kunstprojekts zu engagieren.
Das „Projekt“ wird mit Hilfe eines Teams, einem Fangnetz, Leuchten für die Nacht, einem Stapler fürs platzieren der Künstler und wohl einem gewissen organisatorischen Aufwand, realisiert.
Die Säule ist ziemlich mächtig, ca. 5 Meter hoch und bietet eine gute „Bühne“ für das Projekt inkl. des individuellen künstlerischen Auftritts.
Unter der versammelten Zuschauermenge gab es angeregte Diskussionen, ob es sich hierbei überhaupt um Kunst handeln würde…
Wieso diese Säule auf einen solch repräsentativen Platz schon immer leer stand, kann ich mir übrigens beim besten Willen nicht erklären. Vielleicht steckt einfach ein britischer Schabernack dahinter. In Deutschland hätte man diese Asymmetrie sicher sofort aufbetoniert oder sonstwie veredelt.

Offensichtlich gab es für die Auftritte im Vorfeld kein Briefing oder sonstigen abgesteckten Leitfaden. Lediglich das Fangnetz und einige Sicherheitsleute und Organisatoren sind präsent, um wohl besonders übermütige Künstler oder Zuschauer vor allzu gewagten Inszenierungen abzuhalten.

Als ich gestern vorbeischlenderte, hat ein junger Bursche die Zuschauer mit wilden Gewinnspielfragen aufgefordert mitzuraten und dann zur Belohnung Bonbons in die Menge geworfen. Irgendwie hatte das Spektakel für mich nichts mit „Kunst“ zu tun, sondern eher mit einer nächtlichen Quiz-Show auf DSF.
Die darauf folgende ältere Dame, setzte sich auch einen Klappstuhl und fing an zu stricken. Einfach so… Kommentarlos. Dieser Auftritt wirkte schon eher künstlerisch, könnte man aber auch als ausdrucksvoll-trotzig bezeichnen. Die noch, von dem Gewinnspiel-Burschen aufgeheizte Menge, war zumindest „not amused“ und stimmte ein Buh- und Pfeifkonzert ein.

Nun ja, heute war ein Typ mit Zylinder, Sonnenbrille, großem umgehängten Schild und Megapohn oben auf. Er forderte die Menge lautstark auf, SMSe an die Telefonnummer zu senden, die auf seinem großen Schild prangte. Interessanterweise schickten sehr viele Passanten SMSe ein, die er dann plärrend, unter dem Gejohle der Anwesenden, über den ganzen Platz per Megafon verkündete.

Ob diese Initiierung etwas mit Kunst zu tun hat und im Sinne des Künstlers war, weiß ich nicht, aber ich fand gerade diesen Auftritt sehr interessant, da sich hier nicht nur der „normale Bürger“ auf einer berühmten städtischen Bühne präsentierte, sondern er es auch noch schaffte, andere Leute und ihre Meinungen einzubinden. Unkontrolliert, über den ganzen Platz hinweg, teilweise ziemlich derb…

In der Blogosphäre würde man solche unqualifizierten Statements als Katzen-Content bezeichnen, die der Künstler auf der Bühne auch immer schön mit „ich kann ja nix dafür.. ich lese nur das vor, was mir gerade zuge-smst wurde…“ verkündete. Da fragte ich mich schon, wer denn nun eigentlich der Künstler war…

Kunst oder nicht Kunst oder qualifiziert oder Katzen-Content… War mir wurscht. Mir hat es gefallen und dieser Auftritt war für mich ein gelungenes Beispiel für ein „Socia Media Projekt“ bzw. Channel bzw. Aktion bzw. Kunst. Etc.
Es wurde sogar geschafft, weitere Passanten ins Projekt einzubinden und ihre Kommentare via SMS mit auf die Bühne zu eben bzw. Teil dieser Initiierung werden zu lassen.
Übrigens sogar alles mit „Schnittstelle“ ins Web. Dort kann man per WebCam noch bis Oktober all (un-)qualifizierten Kunstbanausen bzw. das Projekt und deren Darsteller auf der Säule live bewundern.

http://www.oneandother.co.uk/

Reinschauen lohnt sich!

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