Montag, 14. September 2009

Die Krawalle

Wenn ich in Hamburg bin, dann gehört ein Lauf um die Alster und auch ein Abstecher in das Schanzenviertel quasi zu den Pflichtprogrammen. Besonders die Ecke rund um die "Rote Flora“ ist  ist in der Schanze dabei besonders sehens- bzw. erlebenswert.
Man spürt sofort an den Gebäuden, Kneipen und Leuten, dass hier eine ganz besondere Kultur und Szene etabliert ist.



Am Wochenende ist dort abends gegenüber der „Roten Flora“ die richtig was los und man riecht förmlich das besondere Feeling der freiheitsliebende links-alternativen Stimmung im Mix mit ganz harmlosen Wochenende-Kneipengängern.

Bei meinen bisherigen Besuchen durfte ich auch ab und zu erleben, wie ein paar versprenge Trupps von sogenannten Autonomen versucht haben, so etwas wie eine Demo oder Krawalle anzuzetteln. Alles sehr harmlos wirkend und weniger aufregend.

Eigentlich seltsam, dass es eine solche Szene oder Location nicht in Frankfurt gibt, wenn ich an die Vergangenheit als linke revolutionäre Demo- und Revoltenhochburg denke, wo ja diverse Polit-Größen und Querschläger ihre Karriere gestartet haben: Joschka, Bendit etc.

Und Hambug sollte doch eigentlich eher nordisch-schnieke sein, als links-alternativ und schmuddelig-schanzig.

Nun ja, wie auch immer.... Vielleicht komme ich noch einmal dahinter, wieso sich in manchen Städten bestimmte politische oder szenige Subkulturen entwickeln und in anderen eben nicht.

Immer wieder kommt es in der „Szene-Schanze“auch zu den berüchtigten „großen“ Krawallen, über die dann auch breit in den Medien berichtet wird. Dabei bekommt man Beiträge zu sehen, die einen glauben lassen, es herrsche ein Bürgerkrieg. So geschehen am Wochenende im Rahmen des Schanzenfest.

Bei den Beiträgen und Interviews hat man stets den Eindruck, dass eigentlich keiner so recht weiß, wieso es eigentlich zur Krawalle kommt. So wie es scheint, wird ein tiefgründiger politischer Bezug meist irgendwie hingestelzt. An diesem Wochenenede z.B. die brisante Korrelation des Schanzenfestes Verbindung mit der der NPD-Kundgebung, wobei die Krawalle mit Sicherheit auch ohne Kundgebung traditionell zum Schanzenfest stattgefunden hätte.

Es geht meiner Ansicht nach nur um die Krwalle an sich, um eine Selbstinzenierung und den gewissen Nervenkitzel. Man benötigt dazu lediglich ein paar gewaltbereite Mitläufer, die irgendwelche Parolen herumstammeln und die entsprechenden Statisten und Gegner, damit es ordentlich kracht und responded.

So ist auch eben immer die Polizei zugegen, die adäquat eskaliert. In letzter Zeit sind zusätzlich hunderte Echtzeitreporter, die mit Foto-Handys, iFons und sonstigem Equipment engagiert sind und das Happening ins Web 2.0 socializen. Dabei entstehen hunderte von Bildern, Tweets, Videos und Posts, die man in Echtzeit im Web auffindet. Die sind im Vergleich zu den clean wirkenden TV-Bildern, dann authentisch und viel spannender, im nervenaufreibend verwackelten Blair-Witch-Style inszeniert.



Mit den Beiträgen (egal ob TV oder Web) ist dann immer die Debatte verbunden, ob die Polizei dieses mal überreagiert hat.

Hier z.B. ein Beitrag des „obersten Bloggers“, der sich zum Thema "Überreaktion" auf Basis „eines Vorfalls“ auslässt. Von einem engagierten "Web 2.0 Reporter wurde in vorderster Frontlinie eine blutige Nase gefilmt. Sogar eine Art Interview ist am Ende ansatzweise enthalten. Ich glaube der Reporter kam sich bei seinem Einsatz sehr wichtig vor... Ein bisschen Spannung und Nervenkitzel waren sicher auch damit verbunden.

Über solche Video-Vorfälle regt sich dann die Öffentlichkeit auf und man schaukelt sich in konträre Debatten auf. Je mehr Wasserwerfer, Blaulichter und blutige Nasen, desto heftiger die Reaktionen.

Und insbesondere im Web 2.0 beschleunigen sich dann die Kommentare in Echtzeit mit hoher Taktung in ungeahnte verschachtelte Argumentationstiefen. Für jeden einsehbar, mit der Möglichkeit, noch mehr querverlinkte Blair-Witch-Videos einzusehen und sich in den Dialog einzuklinken.

Ich frage mich was wäre, wenn man die Krawallmacher einfach machen ließe. Also, wenn die Polizei sich komplett raushalten und die Krawallmacher einfach randalieren lassen würde? In der Schanze ist eh alles Schützenswerte verrammelt und mit Panzerglas gesichert.

Es würde kein direkter Konflikt, Auseinandersetzungen, und blutigen Nasen mehr geben, die man per Video abfassen könnte und über die man sich aufregen könnte.

Kein Krawalle = keine blutige Nase = kein verwertbarer aufmerksamkeitsstarker „Krawall-Content“ fürs TV und Web 2.0 = keine Aufregung = kein Anreiz für Folge-Krawallen.

Ist Gleichung realistisch nachvollziehbar oder fehlt z.B. noch ein politischer Parameter, der zu berücksichtigen wäre?

Also vielleicht versucht man gar in irgendwelchen Insitutionen, die Krawalle absichtlich durch Polizei-Präsenz zu provozieren, um die daraus entstehenden aufsehenserregenden Bilder und Berichte plakativ für irgendeinen Zweck auszunutzen?

Wenn das so wäre, würden mir insbesondere die Polizisten Leid tun, die für solche Krawall-Spielchen immer wieder ihren Kopf hinhalten müsse.

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